Viele Sportfreunde vermissen in Zeiten der Coronakrise den Kontakt mit ihrem Fitnesstrainer und der wiederum vermisst seine Kunden wahrscheinlich noch viel mehr! Der zu erwartende Ausfall von Einnahmen ist durch viele Freiberufler in der Fitnessbranche nur schwer zu stemmen. In Krisenzeiten dealt man aber nicht nur mit Problemen, es bieten sich auch Chancen. Man muss halt immer ein wenig flexibel bleiben und auch mal um die Ecke denken.
Aktuell sind wir gezwungen, einige unserer liebgewonnenen Gewohnheiten neu zu bewerten. Ganz automatisch hat sich der Stellenwert vieler Dinge verändert, weil sie uns plötzlich nicht mehr zur Verfügung stehen. So habe ich zum Beispiel, solange Fitnesscenter durch die Pandemie geschlossen sind, eine viel geringere Auswahl an elementarem Equipment, welches für das Training mit schweren Gewichten notwendig ist.
Mein Training [zu Hause] ist also ganz ordentlich durcheinander gewürfelt worden. Die Umstellung war zwar nicht 100% problemfrei, allerdings halfen mir mein mehr oder minder gut funktionierendes Homegym und ein paar grundlegende Fitness-Applikationen ganz ungemein. Die Sache mit der Motivation und dem Timing der Trainingseinheiten ist allerdings noch eine ganz andere Story!
Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Trainierende, die normalerweise eher auf die Kurse im Fitnessstudio setzen, sich ohne ihren Coach nun geradezu alleingelassen fühlen. Ich selbst tendiere ja eher dazu, allein zu trainieren. Aber ich habe in den letzten Tagen während der Workouts wiederholt über das Thema nachgedacht und mir dabei einige Fragen gestellt:
- Was sind eigentlich die Verantwortlichkeiten eines Fitnesstrainers?
- Braucht man im digitalen Zeitalter überhaupt noch einen persönlichen Coach?
- Können Trainer die aktuelle Entwicklung zu ihren Gunsten nutzen?
Verantwortlichkeiten eines Fitnesstrainers
Ich gehe davon aus, dass sehr viele Personal Trainer nicht „nur“ ausgebildete Fitnesstrainer sind. So sind einige Profis auch Ernährungsberater, Physiotherapeuten, Mental Coaches und/oder vieles mehr, damit sie ihre Kunden ganzheitlich betreuen können. Ohne jemanden nun auf den Schlips treten zu wollen, würde ich jedoch behaupten, dass sich die Verantwortlichkeiten des klassischen Fitnesstrainers in die drei folgenden Bereiche einsortieren lassen:
- Übungen auswählen und lehren
- Trainingspläne erstellen und anpassen
- Entwicklungen beobachten und festhalten
In einem Erstgespräch wird der Ist-Zustand und das angestrebte Ziel des Klienten aufgenommen. Es werden Übungen ausgewählt, die das Fitnesslevel des Kunden abgestimmt sind. Es wird die korrekte Ausführung der Übungen gelehrt und – wenigstens in der ersten Phase der Betreuung – die Umsetzung genau beobachtet. Schließlich wird ein Trainingsplan erstellt, der mit der Zeit immer wieder angepasst wird, um auf die beobachteten Entwicklungen des Klienten entsprechend zu reagieren.
Ist die direkte Betreuung von Klienten überhaupt noch zeitgemäß?
Ich gehe davon aus, dass ein großer Teil der (eben genannten) Verantwortlichkeiten eines Fitnesstrainers eins zu eins von einigen Fitness-Apps übernommen werden kann. Einige mir bekannte Applikationen starten mit einem Einstiegstest oder befragen den Benutzer nach seinem Fitnesslevel. Danach wird automatisch ein Plan erstellt, der durch das Feedback des Users regelmäßige Aktualisierungen enthält.
Auch wenn die Übungen meist sehr detailliert beschrieben sind, viele Fotos und Videos zur Verfügung stehen, fehlt doch mindestens ein sehr wichtiger Teil in diesen Anwendungen. Niemand kontrolliert bei der Nutzung einer Fitness-App, ob deine Technik wirklich korrekt ist oder ob du deinem Körper bei der Ausführung einer Übung gerade keinen Gefallen tust. Hier offenbart sich eine elementare Schwäche der Fitness-Applikationen.
Die angeschlossene Community bei einigen Apps sollen dafür sorgen, dass man von den anderen Mitgliedern der Plattform motiviert wird. Allerdings sind Likes unter einem absolvierten Workout – zumindest für meinen Geschmack – nichts gegen das konkrete Feedback eines geschulten Profis. Das ist – zusammen mit der Sicherheit des Kunden, die Übung gerade sauber auszuführen, weil ein Trainer aufmerksam zuschaut – ein weiterer Punkt, der für die Betreuung durch einen Fitnesstrainer spricht.
Wie kann man sich auf die aktuelle Krisensituation einstellen?
Doch in Zeiten, wo man von zu engem Kontakt mit Mitmenschen nur abraten kann, sind wir zum Umdenken eingeladen. So ist es beispielsweise in Branchen, wo der Computer sowieso das zentrale Arbeitsmittel ist, relativ leicht, Homeoffice anzuordnen, um für den reibungslosen Betrieb einer Firma zu sorgen. Ein Schwachpunkt von Telearbeit ist häufig die innerbetriebliche Kommunikation. Hier sind Video-Chats, wie zum Beispiel Hangouts, Zoom oder Skype, die erste Wahl, um für ein gutes Betriebsklima zu sorgen.
Das wiederum bedeutet, dass die Akzeptanz und der sichere Umgang mit diesen Kommunikationstools durch die Kunden eine Chance für Fitnesstrainer bietet, die scheinbar nur ergriffen werden muss. Die Einstiegsschwelle ist auch nicht sehr hoch, weil bereits ein gängiges Smartphone oder ein handelsübliches Tablet ausreichend sind. Ich bin fest davon überzeugt, dass es nur ein wenig Übung braucht, um diese Form des Kundenkontakts in die übliche Routine zu integrieren.
Für den Unterricht mit Gruppen gibt es noch weitere Lösungen, die sich anbieten und mit denen man den Faden in Richtung Marketing weiterspinnen kann. Meine Yogalehrerin gibt beispielsweise seit dem Beginn der Einschränkungen unseres Bewegungsfreiheit durch das Virus, täglich gratis Lektionen auf Instagram Live. Die wachsende Zahl von Kontakten auf ihrem Profil weist meiner Meinung darauf hin, dass sich die Investition in Zukunft lohnen wird.
Ich werde mich in den nächsten Wochen weiter mit diesem Thema beschäftigen. Ich glaube, da ist noch viel Bewegung und vermutlich öffnen sich noch einige Perspektiven. Was das Berufsbild des Fitnesstrainers in der Zukunft betrifft, bleibe ich weiterhin sehr zuversichtlich. Wer sich in dieser Branche nicht auf die modernen Kommunikationswege einlassen will, wird es jedoch deutlich schwerer haben, seinen Kundenstamm zu halten bzw. weiter auszubauen.
Fitnessstudios werden es – meiner Meinung nach – in der näheren Zukunft deutlich schwerer haben. Das bedeutet für Trainer, die ihre Kunden in der Vergangenheit vor allem durch persönliche Ansprache im Gym gewonnen haben, dass eine sicher geglaubte Quelle wegbricht. Ich kenne Studios, die vor allem in die Aquise, aber nicht so sehr in die Instandhaltung investiert haben. Möglicherweise wird man auch hier noch Impulse erhalten.